Radreise entlang der Seidenstraße: Durch Kirgistan und Usbekistan – Teil 6
Radreise Etappe 3: Von Osch nach Tashkent
Unser Visum für Usbekistan
Für deutsche Staatsbürger war die Einreise nach Usbekistan zum Zeitpunkt unserer Reise kein großer Akt. Im Konsulat (Frankfurt) konnte man mit etwas Aufwand, Geld und einiger Zeit ein Visum beantragen. Für Polen war dies schon schwieriger, sie mussten eine usbekische Einladung vorweisen können, also eine usbekische Person kennen, die sie im Land haben möchte. Mhm… aber wofür gibt es Geld und clevere Geschäftsleute? Gegen einen mittleren zweistelligen Betrag konnte man sich eben diese Einladung über eine Agentur käuflich erwerben. Auch hierfür sollte man eine gewisse Bearbeitungszeit eingeplant haben.
Grenzübergang nach Usbekistan
Und so standen wir nun in einer Menschenschlange an der usbekischen Grenze – aber nicht lang. Offensichtlich sahen wir eigenartigerweise doch wie Touristen aus und wurden gleich nach vorne gewunken. Oh, das ist zwar den anderen gegenüber unfair, aber mich hat es ehrlich gesagt doch gefreut, nicht so ellenlang in der Gluthitze stehen zu müssen. Wer nun aber glaubt (wie ich damals), dass es auch in der Grenzkontrolle schnell gehen könnte… Nun, der kennt die Grübeleien der usbekischen Grenzkontrollen um die polnischen Pässe nicht. Ich wurde zügig abgefertigt, bei Magda hat die ganze Prozedur drei Stunden gedauert. War schon was langweilig. Aber natürlich hatte auch ich unterdessen einiges zu tun. Zum Beispiel durfte ich das Zollformular ausfüllen (und dafür hab ich echt lang gebraucht). …aber ich wollte doch nicht, dass die Leute wissen, wie viel Geld ich bei mir hab und wie viel Geld meine verschiedenen Güter wert sind! Aber Hosen runter, die wollten echt einige Infos.
Als das Formular erledigt war, musste ich mein Gepäck zur Kontrolle schaffen. Die Taschen wurden halbherzig durchwühlt, interessant fanden die Grenzer Medikamente und sämtliche Medien: Bücher, Speicherkarten, CDs (Magda hatte sich welche mit kirgisischer Musik gekauft), Handys udgl. Die Speicherkarten wurden ausgelesen, der Inhalt des Handys durchsucht… Aber auch irgendwann war das erledigt und es ging für ein paar Kilometer weiter, bis wir in die erste stationäre Polizeikontrolle gerieten. Das passiert einem in Usbekistan häufig. Entweder man trifft auf feste Kontrollen oder wird mal spontan von einem Polizisten kontrolliert – und dann zum Tee eingeladen. Zumindest uns ging es so. Vor der Reise habe ich über die usbekischen Polizisten nicht nur schöne Dinge gehört, aber zumindest wir haben keinen getroffen der dubiose Schmiergelder kassieren wollte.
Die usbekische Reihenhausidylle
Eine Sache ist mir hinter der usbekischen Grenze direkt aufgefallen: die Leute kümmern sich (mindestens etwas) um ihre Gärten. Das meine ich ganz wertfrei, nur zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied zu Kirgistan, der vielleicht auch was mit den finanziellen Möglichkeiten der Bevölkerung zu tun hat. Ich möchte Usbekistan nun nicht als reiches Land beschreiben, dafür scheinen mir die Gegensätze zur Armut im Land zu deutlich. Aber fällt doch massiv ins Auge, dass Ortskerne und Durchfahrtsstraßen enorm gepusht werden. Gleich im ersten etwas größeren Ort, wurden die Häuser entlang der Hauptstraße abgerissen, die Straße verbreitert und die angrenzenden Häuser neu aufgebaut. Das sieht mitunter schon recht beeindruckend, auf der anderen Seite aber auch grausam eintönig aus. Wir sind durch Orte gekommen, deren Durchfahrten nur aus zwei oder drei verschiedenen Haustypen in identischen Farben bestanden. Aber Konformität scheint egal, wie ein Blick auf die Autos der Usbeken zeigt. (Fast) alle fahren die beiden kleinsten Modelle von Chevrolet und das auch noch (fast) durchgehend in der gleichen Farbe (weiß). Busse sind Marshrutkas, winzig und weiß. Und häufig. Und praktisch. Und günstig.
Registrieren, bitte. Aber zackzack
Touristen haben in Usbekistan nicht die freie Wahl der Unterkunft. Zwar wird einem nicht vorgeschrieben wo man zu schlafen hat, man muss sich aber alle drei Nächte in einem Hotel odgl. registrieren lassen (also dort nächtigen). Und das bietet nicht jede Unterkunft. Also nicht jede bietet die Registrierung an, schlafen kann man da schon immer… Unterkünfte sind zwar nett, weil man zumindest jeden dritten Tag eine Dusche hat, aber nervig und teuer. Und die Duschen sind nun auch nicht immer soo der Bringer. Und auch die Betten nicht. Zumindest, wenn man am Hotel spart. Aber es hat trotz allem seinen Reiz, weil wir schöne, alte sowjetische Hotels kennengelernt haben. Wobei sich schön eigentlich eher auf das „alt“ bezieht. Fast gruselig fand ich unser Hotel in Andijon. Richtig gruselig den dortigen Sicherungskasten mit der interessanten Verkabelung und den nicht beseitigten Brandspuren.
Wir schwimmen im Geld
Moment, der Reihe nach. Magda tauscht im (genannten) ersten größeren Ort Geld um. Das Geht eigentlich (legal) nur auf Banken. Die bieten aber einen merklich schlechteren Kurs als der Straßenhändler um die Ecke und entsprechend sucht man sich diese kleinen Händler – oder wird von ihnen gefunden. Magda tauscht 150€ in gefühlte 150KG 5000er Scheine (1$ = 3000SUM). Ob dieses plötzlichen Reichtums lassen wir fünfe gerade sein und laden uns zum Essen ein. Wir essen zwei Lahman, trinken zwei Kaffee und kaufen noch eine Literflasche Wasser. Kosten: 2,50€.
Vor der Bar werde ich von einem Jugendlichen angesprochen, der Frau Herrmann Steiff bewunder – also mein Rad. Er möchte unbedingt ein Foto von sich und mir haben. Alles klar. Ich frage ihn, wo ich es hinschicken soll, an welche Adresse oder vielleicht per Email? Nein, er wolle einfach nur mit auf das Foto drauf. Später werde ich das nochmal in Samarkand erleben. Ein Pärchen spricht mich an (also der Mann) und ich sach so: Klar mache ich ein Foto von euch! Aber nein, die Frau sollte fotografieren und ich sollte mit auf das Bild. Dingen gibt’s…
Das besagte sozialistische Gruselhotel erreichen wir übrigens am gleichen Abend in Andijon nach einer ausgedehnten Suchaktion. Am angegebenen Platz gibt es das Hotel nicht, dafür viele hilfsbereite Leute mit ähnlich wenig Ahnung wie wir selbst. Magda spricht einen Passanten an und fast sogleich wird sie unter einem Berg von Helfern begraben. 23 Leute zähle ich, die alle besser wissen wo das Hotel ist, wie man dahin kommt… aber einig ist man sich untereinander nicht.
Das Hotelfoyer drückt die Stimmung. Geduckt huschen wir, uns bei jedem Geräusch umblickend und Jack Nicholson vermutend, zur Rezeption. Hinter einer Scheibe sitzen drei weibliche Panzerschränke, die sichtlich Spaß in ihrem Job haben. Frisch abgefertigt suchen wir die Zimmer. Wir erreichen die erste Etage über eine abgetretene Treppe und finden einen Gemeinschaftsraum. Acht verstaubte Holzsessel sind u-förmig um eine elegant geschwungene Heizung und einen Fernseher drapiert. Nicholson bleibt in meinem Kopf, aber diesmal als Kuckucksnest.
Unser Zimmer, endlich! Ich lasse mich aufs Bett fallen und befinde mich quasi schon wieder im Erdgeschoss. Die Matratze ist dermaßen durchgelegen, dass ich mich bis heute frage, warum ich nicht meine NeoAir herausgeholt hab. Und lecker sieht sie schon gar nicht aus.
Bei Anbruch des nächsten Tages, am 22.8.2014, stelle ich fest, dass mein Reifen platt ist. Dingen gibt’s mal wieder. Hatten wir ja noch gar nicht auf dieser Tour! Also vor der Weiterfahrt mal wieder flicken (…und das Flickzeug nimmt rapide ab). Wir besuchen die lohnenswerte Seidenfabrik in Markhilan, eine sehr interessante Vorzeigefabrik. Dort treffen wir ein Mädel, dass ich kenne – kein Witz! So ungewöhnlich aber vielleicht auch nicht, weil ich sie im usbekischen Konsulat in Frankfurt kennengelernt hab und sie halt auch nach Usbekistan wollte.
Gehen wir auf die Hochzeit oder lieber zur Beschneidung?
Neben Gammelunterkünften lernt man aber auch wirklich interessante Unterkünfte kennen, wie Valentinas Guesthouse in Fergana. Wir müssen sie eine Weile suchen und uns durchfragen, werden aber schließlich von einer nackten und etwas kräftigen Frau aus dem Fenster schreiend begrüßt. Es stellt sich bald heraus, dass nackt so nicht ganz richtig ist: nur bis etwa Oberkante Brustwarze. Na, jedenfalls brauchen wir ein wenig, bis wir uns (Magda und sie – ich sage bei sowas immer schnell: „Jupp, genau so machen wir das!“) auf den Preis einigen können. Zur Wohnung der Dame, in der sie auch ihre Gäste unterbringt, geht es ein paar Stockwerke bergauf. Magda will in den Aufzug einsteigen, ich altere in diesem Moment um drei Jahre. Also: Gepäck zu Fuß nach oben bringen und in der kitschig-gemütlichen Wohnung duschen und ausruhen. Abends ziehen wir um die Häuser und genießen ein wenig diese hochmoderne Innenstadt.
Um 7:50Uhr brechen wir bei 30°C im Schatten auf und radeln unserem Frühstück entgegen. Essen finden wir aber erst dreißig Kilometer später, was denn auch wirklich Zeit wird: mein Hinterrad hält die Luft nicht mehr. OH MANNN! Ich bin nicht zu blöd zum Flicken und der Schwalbe Almotion ist auch recht pannensicher. Aber am laufenden Band fahre ich mir Glas, Stahldrähte udgl. ein. WIRKLICH NERVIG! Also flicke ich den Schlauch mal wieder und rasch bildet sich eine Menschentraube um mich herum und sieht mir dabei zu. Aha, um die Ecke wird eine Hochzeit gefeiert und wir… werden eingeladen?! Magda kann es den Leuten irgendwie klarmachen, dass wir dringend weitermüssen und so geschieht es auch nach einem leckeren Happen… und einem kurzen Schlaf meinerseits. Heute müssen wir Kilometer machen. Morgen kommt ein Pass und wir möchten an dessen Fuß möglichst nah heranfahren. Im Dunkeln erreichen wir ein Feld, auf dem wir nach einem Abendbrot (Brot und Melone) nächtigen. Das Brot wurde uns geschenkt. Wir hielten für eine Getränkepause und wurden vom Besitzer des dortigen Ladens direkt auf ein Beschneidungsfest gegenüber eingeladen. Diesmal konnte und wollten wir nicht „nein“ sagen und hatten ein wirklich schönes Erlebnis auf dieser Feier. Uns hat zwar niemand gekannt, aber gleich nachdem wir hingesetzt wurden, wurde uns ordentlich Essen aufgetischt. Magda erhielt ein Tuch zum Bedecken ihrer Schultern und ich eins – ich glaube zum Erhalt meiner Manneskraft. Die Melone… wir wurden zum Fotoshooting eingeladen und sollten die melonenverkaufende Familie fotografieren – einfach so für uns. Tja, und dafür haben wir eine leckere Melone bekommen – und hätten noch weitere erhalten, wenn ich nicht deutlich auf unseren mangelnden Platz aufmerksam gemacht hätte.
[Im Folgenden nun Bilder, die es nicht in den Fließtext geschafft haben. Am besten du schaust sie dir chronologisch von unten nach oben an.]