„Winddicht, wasserdicht, atmungsaktiv“ – nur ein Marketinggag?

Auf Schneeschuhen in Frankfreich

Winddicht, wasserdicht, atmungsaktiv – alles Unsinn?

Winddicht, wasserdicht, atmungsaktiv. Der Slogan könnte mit einiger Berechtigung der Wahlspruch der Textilindustrie für den Outdoorbereich der letzten vielen Jahre sein. Alles Unsinn und nur ein Marketinggag? Sicherlich nicht. Winddicht sind die derart angepriesenen Materialen ja und wasserdicht auch. Aber das sind auch einfache Plastikjacken. Nur sind die teuren und häufig nicht gerade für ihre gute Umweltverträglichkeit bekannten High-Tech-Produkte auch atmungsaktiv? Erst mal vorweg: atmen tut da eigentlich nichts und auch aktiv passiert da gar nichts. Schön wäre es. Aber schweißdurchlassend oder meinetwegen auch atmungspassiv klingt halt nicht schön.

Entscheidend sind Feuchtigkeits- und Temperaturgefälle

Wie ist denn der Effekt der Atmungsaktivität (ich verwende ihn der Einfachheit auch) einzuschätzen? Hier liest man immer wieder von theoretischen Werten, wie viel Feuchtigkeit eine bestimmte Membranfläche in einer bestimmten Zeit entweichen lassen kann. Solche Werte lesen sich gut, aber was taugen sie für die Praxis? Wenig. In der Tat funktionieren Beschichtungen und Membrane zwar (unterschiedlich gut), aber am besten natürlich unter optimalen Bedingungen. Sie benötigen ein Temperatur- und Feuchtigkeitsgefälle zwischen innen (Körper) und außen (Luft), um atmungsaktiv zu sein. Außen sollte es kalt und trocken sein, dann ist alles gut. Aber dann braucht man auch nicht unbedingt eine Jacke mit Membran. Die benötigt man gegen Regen. Und wenn es regnet, ist es feucht. Und regnet es im Sommer, ist es feucht und warm. Schlechte Arbeitsbedingungen für solche Funktionsbekleidung (…als ob andere Kleidung keine Funktionen erfüllen würden) mit atmungsaktiv ist da nix.

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Ich kann nicht behaupten nach dieser Tour innen nicht nass gewesen zu sein. Es ist zu erkennen, wie sich der Oberstoff langsam vollsaugt. Schon völlig nass: der Bereich, wo die Schultergurte aufliegen.

Der Oberstoff und die Imprägnierung

Schlimmer wird es noch, wenn sich der Oberstoff der teuren Membranjacke mit Wasser vollgesaugt hat. Früher oder später passiert das auch bei neuer Kleidung mit intakter Imprägnierung, schneller aber noch, wenn diese durch die Rucksackgurte etc. abgerieben ist. Zwar gibt es diverse Imprägniermittel im Handel, um die Kleidung in dieser Hinsicht wieder fit zu machen, sonderlich tolle Ergebnisse konnte ich mit diesen Mittelchen aber nie erzielen. Und den Anfangszustand bekommt man eh nie wieder hin.

Schweiß oder Regen, das ist hier die Frage

Draußen ist es warm und feucht, es regnet. Der Oberstoff hat sich vollgesogen – und nun? Richtig: man steht im eigenen Saft. Ich schwitze stark und bei mir ist der Effekt noch deutlicher. Ich kann mich also entscheiden zwischen nass durch Schweiß und nass durch Regen. Aber da stehe ich nicht allein da, wenn ich allein schon all jene Leute bedenke, die Schweiß mit einer Undichtigkeit des Materials gleichsetzen. Aber sie haben auch nicht immer Unrecht. Meine Mountain Equipment Firefox funktioniert in trockener, kalter Umgebung richtig gut (Schweiß haut ab), lässt bei langem Regenaufenthalt aber definitiv Wasser durch (siehe Radtour bei Starkregen). Und überhaupt muss natürlich auch eine Regenjacke gut konstruiert sein, um das Risiko von Wassereintritten zu minimieren. Bei einer meiner früheren Jacken lief beispielsweise gern mal Wasser an der Kapuze vorbei in den Kragen.

Lüftungsöffnungen für ein besseres Klima

Verbessern lässt sich das Klima unter der Membrankleidung durch Pit-Zips, also schlicht und ergreifend Reißverschlussöffnungen im Material, und insgesamt eine gute Konstruktion. So können z.B. auch weite (verstellbare) Armbündchen die begehrte Frischluft einlassen. Natürlich muss man bei solch einer Kleidung auch auf die darunterliegenden Schichten (T-Shirt etc.) achten. Baumwolle hat hier nichts zu suchen, sie saugt sich voll und hält die Feuchtigkeit fest. Furchtbar. Gute Funktionsshirts sind hier angesagt.

Powerstretch, atmungsaktiv

Tolles Klima dank Powerstretch. Wasser- und winddicht ist das Material freilich nicht. Aber solange es geht, trage ich liebend gern solch eine Jacke.

Oh, die Membran ist kaputt

Beschichtungen und Membrane haben nur eine begrenzte Haltbarkeit. Meines Wissens altern sie nicht unbedingt, reiben sich mit der Zeit aber einfach durch. Am schnellsten passiert das natürlich an belasteten Stellen, wie den Kontaktstellen eines (schweren) Rucksacks oder dem Gesäßbereich beim Radfahren. Im Handel findet man unterschiedlich stark belastbare Membrane für unterschiedlich starke Beanspruchungen. Auch Schuhe bleiben übrigens nicht unendlich lange dicht und lassen irgendwann Wasser. Das geht umso schneller, je weicher sie aufgebaut sind. Ist die Membran kaputt, hat man zwar noch immer eine häufig sündhaft teure Hose, Jacke oder was auch immer, aber dicht sind die Teile dann nicht mehr… auch wenn die systemimmanenten Nachteile bestehen bleiben.

Mammut Hybridjacke

Eine Softshell oder Hybridjacke, wie diese Mammut hier, langt für dies meisten „normalen“ Begebenheiten aus. Die wasserdichte Hardshell bleibt im Rucksack.

Alternativen zur Membrankleidung

Eta Proof, gewachste Baumwolle, es gibt schon einige Alternativen zur Beschichtung oder Membran, die sich bequemer und weniger schwitzig tragen. Allerdings sind genannte Materialien auch nicht vollends wasserdicht. So verhält es sich auch mit Hybridjacken, die teils wasserdicht sind, an anderen Stellen aber nicht. Ein großer Poncho ist relativ luftig und kann gleich den Rucksack mit abdecken, aber für jede Aktivität eignet er sich sicherlich nicht.

Du suchst noch eine Alternative für gemäßigtes Klima? Verrate ich Dir… aber nicht lachen, ja? Obenherum trage ich gern etwas luftigeres, wie eine Powerstretch Jacke und ganz obenrum auch mal einen Regenschirm. Manche Modelle kann man direkt an den Rucksackgurten befestigen und hat dann sogar noch beide Hände frei. Aber zugegeben: dieses Setup eignet sich nur für Wanderungen oder leichtes Trekking ohne heftige Winde, dichtes Gestrüpp udgl. Aber hierfür ist es wirklich eine Versuch wert!

Dennoch: wenn es die Wetterlage erfordert, greife auch ich zur Membranjacke (-kleidung), wie man auf manch einem Bild auf diesem Blog erkennen kann. Aber dann heißt es ruhig und gemächlich unterwegs sein. Trockener als durchgeregnet und weniger vollgeschwitzt als unter einer Plastiktüte bleibe ich damit allemal.

Mich interessieren nun natürlich eure eigenen Erfahrungen mit winddichter, wasserdichter, atmungsaktiver Bekleidung. Wie atmungsaktiv sind sie bei Regen, wie lang hält die Membran?

Du willst noch etwas weiterlesen? Dann lies bei Dennis vom Outdoor Blog.

 

2 comments

  • Hi, ja, da kann ich dir nur recht geben. Atmungsaktiv und wasserdicht schließen sich aus. Dazu brauchte es semipermeable Membranen, die wir, glaube ich, nur bei Zellen kennen bzw. dort richtig und andauernd funktionieren. Ja, wenn die Membran-Sachen neu sind, scheint es zu funktionieren. Sobald aber ein Tragegurt aufliegt oder Staub oder anderes nicht reines H2O dazu kommt, ist Schluss mit Membran. Für mich gilt, wie bei dir, solange wie möglich undichte Kleidung tragen, die warm hält. Bei Dauerregen einen Poncho und schön lüften. Wenn man richtig powered etwa beim Biker auf dem Haustrail nach der Arbeit, ist man eh nass, ob nun vom Schweiß oder vom Regen. Hier hilft nur das Temperaturgefälle aufrecht halten, innen warm, außen kalt und das mit Zwiebelschalenprinzip. Aktuell, Außentemperaturen zw. 5 und 10 Grad, teste ich bis zu sechs Schichten Merino-T-Shirt und was dichteres drüber (Softshell). Es scheint warm zu halten auch bei leichtem Regen. Wichtig um nicht zu viel zu schwitzen, muss man beim Starten leicht frieren. Also es muss sich frisch anfühlen.

    Schöne und interessante Seiten. Danke !

  • Hey, dankeschön!
    Manche Sachen die du ansprichst greife ich in meinem aktuelleren Artikel auf: RADFAHREN IM WINTER: DIE RICHTIGE KLEIDUNG: http://www.radundfuss.de/theorie-praxis/tipps-infos/radfahren-im-winter

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